Beschlagnahme von Wohnungen: Hohe Anforderungen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit

Beschlagnahme von Wohnungen: Hohe Anforderungen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit

Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat mit Urteil vom 22. Mai 2012 (Az.: 7 A 3069/12) festgestellt, dass Verfügungen einer Gemeinde im Landkreis Leer über die Beschlagnahme einer Wohnung rechtswidrig gewesen sind.

Den Mietern der Wohnung war gekündigt worden, weil sie mit den Mietzahlungen im Rückstand gewesen seien. Das Amtsgericht Leer verurteilte die Mieter am 16. Juni 2011, die Wohnung herauszugeben. Die Wohnung sollte im August 2011 zwangsweise geräumt werden. Die Gemeinde beschlagnahmte daraufhin die Wohnung und wies die vorherigen Mieter zur Abwendung der Obdachlosigkeit in die Wohnung ein. Die zunächst bis zum 31. Oktober 2011 befristete Maßnahme verlängerte die Gemeinde in der Folgezeit mehrfach, zuletzt bis zum 31. Mai 2012.

Gegen die von der Gemeinde angeordnete Beschlagnahme richtete sich die Ende März 2012 erhobene Klage. Zur Begründung der Klage war u.a. ausgeführt worden, dass ein Vermieter es nicht dulden müsse, dass ein rechtskräftiges Räumungsurteil mehr als ein dreiviertel Jahr lang nicht durchgesetzt werden könne. Den Mietern hätte auch keine unverschuldete Obdachlosigkeit gedroht. Ihnen sei seit mehr als einem dreiviertel Jahr klar gewesen, dass sie die bisherige Unterkunft hätten verlassen müssen. Weder die Mieter noch die Gemeinde hätten hinreichende Bemühungen unternommen, um eine geeignete Ersatzunterkunft zu finden.

Das Gericht hat der Klage stattgegeben. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, dass nach dem Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung die Beschlagnahme einer Wohnung zur Abwendung einer drohenden Obdachlosigkeit möglich sei. Insbesondere für eine Familie mit einem kleinen Kind stelle die Obdachlosigkeit eine erhebliche Gefahr dar.

Gleichwohl dürfe eine Wohnung grundsätzlich nur bis zu sechs Monaten beschlagnahmt werden. Zudem müsse die Behörde nachweisen, dass anderweitiger zumutbarer Wohnraum nicht zur Verfügung stehe. Das sei der Gemeinde nicht gelungen. Die Gemeinde habe die vorherigen Mieter lediglich dazu angehalten, sich um Ersatzwohnraum zu bemühen. Ausreichende eigene Anstrengungen der Gemeinde, eine andere Möglichkeit der Unterbringung zu finden, seien nicht erkennbar gewesen. Solche Anstrengungen seien aber insbesondere dann erforderlich, wenn – wie hier – die ehemaligen Mieter die Wohnung nach einem rechtskräftigen zivilrechtlichen Urteil schon längst hätten räumen müssen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg beantragt werden.

QUELLE: Verwaltungsgericht Oldenburg